Pfarrer Abraham Blumer (1736-1822)

von Edward Quinter und Thomas Schätti

 

Ein bewegtes Leben 

Die Geschichte des vermutlich ersten Schwander Auswanderers nach Nordamerika, Pfarrer Abraham Blumer, ist zugleich eine sehr bemerkenswerte. Sein Name ist in den Vereinigten Staaten eng mit einem der amerikanischen Freiheitssymbole, der „Liberty Bell“, verknüpft. In seiner neuen Heimat hatte Pfarrer Blumer einen grossen Einfluss auf die Reformierte Kirche. Er betreute selber vier Kirchen, war eine bestimmende Person im Kirchenrat in der Zeit, als die Reformierte Kirche Nordamerikas ihre eigene Ordination von Pfarrern etablierte und sich die Kirche mit den Siedlern nach Westen  ausbreitete.

Abraham Blumer wurde als jüngster Sohn von Johann Jakob und Salome Blumer-Schindler (Tochter des Landessäckelmeisters Konrad Schindler) 1736 in Grabs geboren. Sein Grossvater wie auch sein Vater waren durch das Land Glarus eingesetzte, reformierte Pfarrer in Grabs. Mit zehn Jahren, nach dem Tod seines Vaters, besuchte Abraham Blumer eine private Lateinschule (vermutlich in Glarus oder Mollis) und studierte von 1754 bis 1756 Theologie an der Universität in Basel. 

Nachdem Abraham Blumer mit 20 Jahren als Pfarrer ordiniert worden war, wurde er Feldprediger im Söldner-Regiment Meyer, das Regiment des Adrian Meyer aus Herisau. Drei von Abrahams Brüdern starben im Dienst dieses Regiments. Während Feldprediger Blumers Dienstzeit von 1757-1766 verzeichnete er 441 Predigten in Nizza, Tortona, Turin, Alessandria, Chien. 

Wir wissen, dass Blumer ein gelehrter Mann war. Er konnte Griechisch, Hebräisch und Latein und sprach auch Französisch. Nach seiner Ankunft in Pennsylvania hat er wahrscheinlich Englisch gelernt.

Im Juni 1770 drängte Pfarrer Planta von der London German Reformed Church stark auf Blumers Entsendung nach Amerika. Am 22. August desselben Jahres erschien er vor Kirchenoberen in Holland und wurde als Pfarrer für Pennsylvania ausgewählt. Zwei Wochen später brach er zur Reise in die Nordamerikanischen Kolonien auf, zusammen mit Charles Lewis Boehme, einem anderen frisch gewählten Prediger. Er kam in New York Ende Januar 1771 an. Seine Überfahrt beschrieb er als lang und sehr schwierig. Die Überfahrt dauerte üblicherweise 10 bis 12 Wochen, Blumers Überfahrt dauerte gut zwei Monate länger. 

In Pennsylvania nahm Blumer schon bald eine Führungsposition innerhalb seiner Glaubensgemeinschaft ein. 1773 amtierte er als Schreiber des reformierten Kirchenrates von Pennsylvania, 1774 wurde er deren Ratspräsident, 1784 wieder Schreiber und 1785 nochmals Präsident. 

 

Im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg war Blumer Feldprediger des 2. Battalion der Northhampton County Miliz. Aus dem Jahr 1776 sind auch keine Predigten erhalten. Die „Liberty Bell“, die Freiheitsglocke, kam am 24. September 1777 von Philadelphiain in Blumers Zion’s Church in Allentown, wo sie  vor den heranrückenden Briten in Sicherheit gebracht werden sollte. Diese gewagte Aktion spricht Bände über Blumers politische Haltung bezüglich der Unabhängigkeit. 

 

Blumers Nachlass 

Von Pfarrer Abraham Blumer sind etwa 40 Briefe, eine kurze Auto­bio­grafie, viele Predigten, sein Tauf-, Ehe- und Todesverzeichnis, und dazu Dokumente aus seiner Zeit als Feldprediger im Regiment Meyer erhalten geblieben. 

In den Briefen aus dem Glarnerland an Abraham Blumer spiegelt sich deutlich das späte 18. und frühe 19. Jahrhundert. Die Briefe geben einen Interessanten Einblick ins Leben seiner Verwandten und in die Politik der damaligen Zeit.

Edward Quinter, ein Deutschlehrer aus Allentown, ist seit einigen Jahren daran die Schriften von Abraham Blumer zu entziffern und ins Englische zu übersetzen. 

Bekanntester Absender eines Briefes an Abraham Blumer ist Johann Kaspar Lavater (1741-1801, unten), Theologe und Schriftsteller aus Zürich: Lavater antwortet darin auf einen Brief von Abraham Blumer, der offensichtlich auf der Suche nach einer Stelle als Pfarrer ist. Blumer interessierte sich offensichtlich für eine Stelle in London, Lavater weiss aber nur um eine Stelle in St.Petersburg in Russland. Lavater ist bereit für Blumer ein Empfehlungsschreiben auszustellen. 

 

Brief von Johann Jacob Lavater an Abraham Blumer vom 19. März 1770 (Kirchenarchiv Allentown)
Brief von Johann Jacob Lavater an Abraham Blumer vom 19. März 1770 (Kirchenarchiv Allentown)


Die meisten Schreibenden sind mit Abraham Blumer verwandt, so zum Beispiel Ratsherr Peter Blumer aus dem Thon, oder Landes­säckel­meister Conrad Schindler aus Mollis.

Hier einige Ausschnitte aus einem Brief von Peter Blumer an Abraham Blumer  von 1802 , in dem er auf die Kinderzüge von 1799/1800 und den Prozess gegen Anna Göldi eingeht:

 

Lieber und hochgeschetzter Herr Vetter Pfarrer Abraham Blumer

... Ihren drittletzten Brff. Vom 22 Juny 1798 wird von mir d 24 April u dessen Duplie vom 8ten May 1800 u Canal --- --- Burckhardt in Basel beantwortet. ... Mit Auswanderung grosser Zahl von 800 – 1000 Kinder in die Cantone Zürich, Bern, auch Basel, und etwas von Cathol. auf Solothurn und Freiburg, hatte es Grund, der Transport geschehe auf Kosten der Gemeinden, in etl. Malen auf bringen, der grössere Theil ist wieder zurück, der Kleinere noch nicht. Sie wurden liebreich aufgenommen, Sie gewehret ihren Eltern zu folgen, kamen wohlgekleidet u besser gesittet als weggingen zurück! Man sehe dass in kurzer Zeit eine Umstaltung möglich ist. ….

… den circa 1781 gewesenen. Ich war da wohl vice Rathsherr, kam verwandtschaftshalber mit Doctor Jacob Tschudi in Ausstand  …. Die sogenannte Hexe, hiess Anna Göldi aus dem Sennwald gebürtig, war hier als Magdt ... , in Glarus bey Herr Landamman Heer u zuletzt bei Med. Doct. Jacob Tschudi .... Sie sollte eines der jüngeren seiner 4 Töchtern, so arg verhexet haben, dass das Kind kleine u grosse Güfen, Knöpfe, speute, u einen verdrehten Fuss bekam. Dieser Mensch hatte einen Helfer, Schlosser Rudolf Steinmüller, Bruder des ehemaligen Ostindischen Oberst Jacob Steinmüller. Rudolf wurde mit der Anna ... inhaftiert: ersterer soll die That eingestanden haben, hat sich aber im Gefängnis erhenkt, Anna wurde enthäuptet. Dieser Mensch soll  vorhero vom Sohn dergenannt u Pfarrer Doctor Melchior ein Kind gehabt haben, u deswegen durch diesen bewogen worden seyn, sich zu flüchten, als es mit des Doctors Kind Obrigkeit wurde damit der Herr Hendel nicht mit u durch den Hexenhandel zu gleich an den Tag komme, ... vernünftige Leute sahen die Anna für keine Hexe an, aber trauten dem Kind viel Schlechtheit zu … 

… Sie u ihre Frau u ganze Familie sind von mir und meinen Bruder u unsre Fr. herzlich gegrüsst, beste Gesundheit wünschend beharre Gottl. Obh. u  empfehle lebenslang meines liebsten Herrn Vetter

 

Aus Briefen ist bekannt, dass Blumer mit einigen Leuten Finanzgeschäfte hatte, er lieh Geld aus, überwies Geld von einer Person zur anderen oder stellte für andere Gutscheine aus . Viele der Briefe, welche finanzielle Angelegenheiten beschreiben, beziehen sich auf sein Vermögen, das er in der Schweiz belassen hatte. Sein Cousin Conrad Schindler aus Mollis verwaltete das Vermögen und verfasste jährlich ein Bericht darüber. Das Geld wurde anderen geliehen und die angesammelten Zinsen wurden als Bargeld über Basel, London nach Philadelphia überwiesen.

Abraham Blumer und seine Frau Maria hatten vier Kinder, die überlebten: Jakob, Salome, Henry und Susanna Maria. Er war 38 als er zum ersten Mal Vater wurde und 46 beim letzten Kind.

Abraham Blumer starb 1822, 86-jährig. 

 

William Henry Blumer 

William H. Blumer war ein Enkel von Pfarrer Abraham Blumer. Er wurde 1812 in Allentown, Pennsylvania, geboren und starb 1884 in Beemer, Nebraska. Er war Kaufmann und Bankier. 

Für seine uneigennützige Unterstützung der Gründung von New Glarus erhielt William Henry Blumer, Kaufmann und Bankier aus Allentown, Pennsylvania,  mit einem Schreiben vom 22.Mai 1846 das Bürgerrecht der Gemeinde Schwanden. Dieses Bürgerrecht war übertragbar auf die Nachkommen von W.H. Blumer. 

Der Glarner Auswanderungsverein schrieb vor der Rekognoszierungsreise Bekannte in Amerika an und fragte diese um Rat. Einer dieser Briefe war an Alexander Blumer in Allentown, dem Sohn des Abraham Blumer, gerichtet. An Stelle des bereits verstorbenen Alexander antwortete William Henry Blumer. Dies war der Beginn einer intensiven Zusammenarbeit mit dem Auswanderungsverein, woraus sich auch ein Freundschaft zwischen Richter Nicklaus Dürst und William Henry Blumer entwickelte. 

William H. Blumer unterstützte die Experten des Auswanderungs­vereins. Er lud diese auf seine Kosten nach Allentown ein und stellte ihnen Josua Frey, einen seiner deutschsprachigen Vertrauensleute, zur Seite.


25 Cent Banknote, herausgegeben vom Bankhaus William Henry Blumer & Co. Allentown (Geschenk von Robert A. Elmer an den Pulverturm Schwanden)
25 Cent Banknote, herausgegeben vom Bankhaus William Henry Blumer & Co. Allentown (Geschenk von Robert A. Elmer an den Pulverturm Schwanden)